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Schengen-Kind

Noch vor gar nicht langer Zeit prangte auf nahezu allen Ortstafeln in unserer Region der Zusatz Zollgrenzbezirk. In diesen Gebieten hatten Zollbeamte weitergehende Befugnisse als normale Polizeibeamte. So durfte eine Durchführung von verdachtsunabhängigen Personenkontollen und die Durchsuchung von Personen und Sachen erfolgen. Ganz konkret kann ich mich als Grenzkind neben diesen formellen Regelungen aber an ganz praktische Begebenheiten erinnern, die das Leben der Grenzbewohner vor Ort bestimmt haben. Nicht nur gibt es in jeder Familie ganze Geschichtsstränge aus Butter- und Kaffeeschmuggelgeschichten. Auch die eigentlichen Grenzkontrollen beschränkten das Leben der Anwohner im wahrsten Sinne des Wortes. Zu bestimmten Uhrzeiten schlossen einige Übergänge, so dass weite Umwege in Kauf genommen werden mussten. Wartezeiten und Passkontrollen waren obligatorisch.

Die Rode wurde als gewachsene Einheit mit einer gemeinsamen Geschichte, Kultur und einem eigenen Dialekt durch die deutsch-niederländische Grenzziehung im Jahr 1815 geteilt. Besonders erkennbar wurde diese willkürliche Trennung auf der Neustraße / Niewstraat im heutigen Herzogenrath beziehungsweise Kerkrade. Mitten auf dieser etwa zwei Kilometer langen Straße wurde ein Grenzzaun gezogen, der erst 1993 endgültig entfernt wurde. Heute werden auf dieser zweistaatlichen Straße mit der europäischen Annäherung ganz pragmatische Lösungen gefunden. Auf der deutschen Seite werden so niederländische Verkehrsschilder genutzt, während die niederländische Seite von einer Bushaltestelle der ASEAG bedient wird. Im Jahr 2001 wurde das Eurode Business Center am Ende dieser Straße eingeweiht, welches sich auf dem Gebiete beider Staaten befindet. Auf dem Beitragsbild des Artikels ist ein Überbleibsel der Grenzmauer zu sehen, welches heute als Mahnmal der ehemals rigiden Trennung dient.

Einschneidende Grenzziehungen werden heute im kollektiven Gedächtnis hauptsächlich mit der Berliner Mauer in Verbindung gebracht. Vielerorts, wie hier bei uns im Dreiländereck, ist es aber das Schengener Abkommen, welches grenzüberschreitende Freiheit erlebbar macht. Vor wenigen Tagen hat dann der Bundesminister des Inneren die Aussetzung dieses Abkommens an der Deutsch-Österreichischen Grenze erklärt. Diese Meldung hat bei mir als Grenzkind einen Würgereflex ausgelöst. Nach grober Hochrechnung habe ich in diesem Jahr etwa dreihundert mal nationale Grenzen übertreten – meinen Ausweis musste ich bisher nicht einmal vorzeigen.

Grünpfeil für Radfahrer

Bis in die letzten Ecken unserer Erdkugel hat sich die Nachricht verbreitet, dass Deutschland das Land der Autofahrer ist. Seit vielen Jahren wird der PKW bei Förderungen der Infrastruktur gegenüber Alternativen klar bevorzugt. Aktuell versuchte es der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastes mit der schriftlichen Anfrage „Rechtsabbiegen bei Rot ermöglichen“ mehr Menschen für das Radfahren zu gewinnen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur beendete mit der Antwort jedoch die Hoffnung, dass sich bei der gegenwärtigen motorisierten Übermacht etwas ändern wird. Aus Gründen der Verkehrssicherheit hält das Ministerium eine zusätzliche Regelung nur für Fahrradfahrer für nicht erforderlich.

Als Aachener, und damit Bewohner des Dreiländerecks in direkter Nähe zu Belgien und den Niederlanden, kenne ich die jeweils andere Infrastruktur jenseits der Grenzen. Das Beitragsfoto, welches über diesen kleinen Text prangt, habe ich auf meinem heutigen Nachhauseweg etwa 200m entfernt zur deutschen Grenze aufgenommen. Nach gefährdeter Verkehrssicherheit sah es vor Ort nicht gerade aus. Eher floß dort der Radverkehr. Ein kleines Schild macht natürlich noch keine Fahrrad-Revolution. Bei unseren niederländischen Nachbarn ist es gerade so, dass kontinuierliche Verbesserungen bei der Radinfrastruktur gemacht werden. Radampeln, wirklich breite und sichere Radwege, Unterführungen, Brücken und stets ausgebesserte Wegdecken sorgen dafür, dass der Radverkehr rollt und rollt. Und das auch in Zweierreihe und ganz ohne Helm. Die einzigen Radler, die hier mit Helm anzutreffen sind gehören klar der sportlichen Lycra-Fraktion an. Die Ernüchterung allerdings kommt dann schnell wieder bei der Überfahrt nach Deutschland. Hier führt dann der Autoverkehr zweispurig in jeweils beide Richtungen. Einen Radweg, oder auch bloß einen auf der Straße befindlichen Radschutzstreifen, sucht man vergebens. Kein bisschen der Revolution – weiter geht es mit der motorisierten Dominanz.