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Klar! Namenzwang

Das anonyme Auftreten hat Kommunikation im Netz an vielen Stellen erst ermöglicht. Wer sonst würde wohl die ganzen Foren und Kommentare mit Inhalt füllen. Dinge, die man nicht in die breite Öffentlichkeit bringen möchte, abwegige Hobbys, private Themen oder sexuelle Gesinnung, würden mit einem Zwang zur Nennung des vollständigen Namens verschwinden. Das Netz hat seine Bedeutung nicht aufgrund einer monothematischen Plattform gewonnen. Die Besonderheit war stets, dass für jede erdenkliche Vorstellung und Gesinnung Gleichgesinnte auffindbar waren. Eine harsche Kritik bläst momentan den ‚Internetpeople‘ mit ihren Avataren und Pseudonymen entgegen. Das Hochschaukeln von Themen, die scheinbar unkontrolliert hereinbrechen führt bei konservativ Etablierten zu Verbots- und Zwangsreflexen. Die Personen hinter den Pseudonymen der twitternden ‚Internetpeople‘ lassen sind jedoch meist erkennen. Sonst könnten sie auch kaum für Blogs und Vorträge bezahlt werden.

Die Kommentare auf der Internetseite eines lokalen Totholzversenders haben meine Aufmerksamkeit geweckt. So werden nicht mehr bloß Leserbriefe in der Papierausgabe abdruckt, sondern auch im Netz können Leser die Beiträge kommentieren. Sämtliche digitalen Kommentare zum Beitrag wurden unter Pseudonymen verfasst. Selbst der gelegentliche Leser bemerkt, dass es stets die selben Personen sind, die versuchen das Feld der Kommentare mit ihrer Meinung zu besetzen. Entsprechend dem recht aggressiven Vorgehen lässt sich bei den Personen auch die politische Zugehörigkeit ablesen. Das hier nicht auf dem Niveau des Feuilletons der FAZ diskutiert wird, kann sich selbst jeder zusammenzählen.

Das Netzwerk Google+ hat kurz nach seinem Start diejenigen Profile gelöscht, die ihren Klarnamen nicht genannt hatten. Auf ein sozialen Netz, dass eh keiner nutzt kann man leicht verzichten. Problematisch wurde es aber, als bei Nutzern mit Pseudonymen in der Folge die zugehörigen E-Mailaccounts und Dokumente nicht mehr erreichbar waren.
Derjenige der in die Öffentlichkeit tritt und seine Meinung ausspricht macht sich angreifbar. Beiträge von erkennbaren Personen sind es, die Interesse wecken und Anschlussfähigkeit garantieren. Im Netz ist (zum Glück) nicht jeder Gegenstand ein politischer. Für das Feld des Politischen bleiben persönliche Beiträge jedoch unverzichtbar.