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Wulff vs. Gauck

Am 11. Juni geht es los. Nahezu ganz Deutschland wird in Schwarz-Rot-Gold gehüllt sein. Doch das für Deutschland eigentlich bedeutende Ereignis findet am 30. Juni, einen spielfreien Tag, statt. Es war gar nicht so einfach einen Termin zu finden, der nicht durch fußballerische Glückseligkeit Ablenkung findet.

Für die Wahl des Bundespräsidenten hat die Schwarz-Gelbe Koalition den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff vorgeschlagen. Als Gegenkandidaten nominierte die SPD zusammen mit den Grünen den protestantischen Pfarrer und ersten Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Joachim Gauck. Die Regierungsparteien haben einen Juristen, Parteisoldaten und Vollblutpolitiker aufgestellt. Es war sogar die Rede von angeblichen Rücktrittsdrohungen Wulffs, wäre er für das Amt des Bundespräsidenten nicht nominiert worden. Dieser Bericht wurde jedoch strikt zurückgewiesen. Wulff habe jedoch „beherzt zugegriffen“, als ihm die Chance für Köhlers Nachfolge angeboten wurde.

Mit Joachim Gauck haben SPD und Grüne einen Kandidaten aufgestellt, der auch schon in den Reihen der CSU als Kandidat für das Bundespräsidentenamt diskutiert wurde. So war es sicherlich ein guter Schachzug von Rot-Grün mit Gauck einen „linken, liberalen Konservativen“ aufzustellen. Eine Mehrheit scheint trotz aller Sympathie nur schwer in der Bundesversammlung erreichbar zu sein. Die Stimmen der Linkspartei wird Gauck als Aufbereiter der Stasi-Hinterlassenschaft nur schwer auf sich vereinen können. Die besten Worte zur Vorstellung von Joachim Gauck kommen jedoch gerade von Angela Merkel. Sie hielt zu seinem 70. Geburtstag eine Rede, die auch für seine Nominierung hätte herhalten können:

„[…] Weil wir immer wieder Debatten brauchen, weil wir uns immer wieder miteinander austauschen müssen, ist es so gut, dass wir Sie, Herr Gauck, haben. Denn Sie legen den Finger in die Wunde, wenn Sie eine Wunde sehen, aber Sie können auch Optimist sein und sagen: Es geht voran. Beides brauchen wir. Danke, dass es Sie gibt. Danke, dass Sie weiter da sind.“

Der Horst

Gestern wollte dann unser Horst nicht mehr. Keiner konnte ihn mehr bewegen noch weiter zu machen. In einer wirklich nur zweiminütigen Rede erklärte der bisherige Bundespräsident Horst Köhler seinen Rücktritt. Nachdem mich diese Meldung erreicht hatte suchte ich nach den originalen Wortlauten seiner Rücktrittsmeldung und seines kritisierten Interviews. Ich wollte sehen, ob eine Kritik an seinen Aussagen wirklich angemessen war, oder ob bloß ein sinnloser „shit-storm“ auf ihn niedergegangen war. Nach dem Lesen des Interviews war mir aber klar, dass man bei derartigen fraglichen Aussagen zu Auslandseinsätzen auch Kritik ertragen muss. Hier einen fehlenden Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten zu unterstellen scheint fragwürdig und dünnhäutig.

Interessant ist bei der Entwicklung der geäußerten Kritik, dass sie nicht zuerst durch die klassischen Medien formuliert wurde, sondern es waren Beiträge in Blogs, die zu einer abermaligen Befassung mit dem entsprechenden Interview Köhlers geführt haben. Die klassischen Medien waren viel zu sehr mit dem Rücktritt von Roland Koch beschäftigt, um auch noch Köhlers Rede angebracht zu analysieren. Am gestrigen Tag konnten lediglich Vermutungen für den Rücktritt vorgebracht werden – woher sollte man eine echte Begründung auch nehmen – mit Sicherheit nicht aus der zweiminütigen Rede. Die Frage danach, wie viel Kritik eine einzelne Person ertragen muss und kann muss anscheinend nochmals diskutiert werden. Es schien jedoch so, dass der Rücktritt bei anderen Politikern näher lag. Finanzminister Wolfgang Schäuble lässt sich trotz schwerer Krankheit und fortlaufender inhaltlicher Kritik nicht von seiner Verpflichtung in der Krise abhalten. Auch wenn ich mit seiner Politik sicherlich nicht übereinstimme zeigt er mit seiner Ausdauer gerade den Gegenentwurf zu Horst Köhlers Rücktritt.